Ich gebe zu, ich liebe diesen Wein. Und zwar mehr als all die anderen Weine der Welt, ausgenommen Lynch-Bages 1985 aus der Magnum und Solaia 1990 aus der Doppelmagnum. Und meine eigenen Weine! Die liebe ich auch.
Deine eigenen Weine? Mehr als den Wein, von dem du sagst, dass du ihn am meisten liebst? Also den, um den es hier geht? Weiß nicht? Was soll ich jetzt sagen? Ja? Nein! Jetzt red’ ich hier schon mit mir selber! Geht’s noch? Nee, geht nicht! Ich habe Durst! Der Durst killt mein Denken (anderes auch, aber das ist eine andere Geschichte).
Ich will nur eine sexuelle Beziehung mit ihm, keine Partnerschaft.
Ich habe Durst nach dem Meursault-Dorflage von Schann-Franswoa Kosch, der Mann vor dem Dury. Ich liebe diesen Wein, will aber nur eine sexuelle Beziehung mit ihm, keine Partnerschaft. Dashab’ ich ihm auch gesagt, dem Meursault, damit er sich keine Hoffnungen macht, allzu lange im Keller liegen bleiben zu dürfen. Partner können wir nicht werden! Weil er zu dominant ist, dieser Alpha-Wein. Alpha bin ich selber. Dominant, weil mich täglich nach ihm dürstet. Zwei, drei Mal am Tag. Und auch wenn ich ihn länger nicht getrunken habe (was aktuell der Fall ist), bleibt sein Geschmack in meinem Mund und seinem Geruch in meiner Nase. Das ist dann grandioser Wein. Besser - gut zuhören da draußen - kann man grandiosen Wein nicht erklären. Er besetzt die Erinnerung. Und ztwar dort, wo das Erinnern eine Wiederholung verlangt.
Was macht den Meursault-Dorflage von Schann-Franswoa so grandios? Da gibt es viele Stimmen, meist Premium-Weinhändler und Edelwein-Verkoster (die ganz üble Sorte Weinwichtel), die eigentlich alle unterschiedliche Ansichten und Erklärungen haben, warum er so grandios ist. Dabei ist die einzige Erklärung ganz einfach: Er schmeckt einfach supersuper!
Für mich sind es nur zwei Komponenten, die diesen Wein grandios machen. Nur zwei bedeutet: Die Weine von Coche-Dury sind nicht vielschichtig. Das ist alleine meine Meinung. Kapiert? (Bevor die Shitstorm-Mails wieder den Redaktionsassistenten aus dem Gleichgewicht bringen)
Nicht vielschichtig also.
Alleine diese Bemerkung wird jetzt wieder Gemüter zur Weißglut bringen. Ein Chardonnay, eigentlich „der“ Dorflagen-Chardonnay aus dem Burgund, wo der Chardonnay ja zu Hause ist, so ein Chardonnay muss vielschichtig sein, denn anders ist sein Preis (aktuell um die 200 Euro – wenn man überhaupt einen bekommt) nicht zu erklären. Ist ein Château Pétrus vielschichtig? Nö! Ist ein Masseto vielschichtig? Nö! Und beide Weine sind noch viel teurer als der ohnehin schon teure Coche. Überschätzte, plumpe Saftbomben sind sie auch. Das ist der Coche nicht. Aber vielschichtig eben auch nicht. Der Preis macht also keine Vielschichtigkeit. Aber die braucht dieser Wein ohnehin nicht.
Ein Teil des Weingeschwätzes lautet, dass hervorragende und dann meist auch teure Weine so vielschichtig sein müssen wie eine asiatische Konkubine. Müssen sie nicht! Es genügen zwei, drei bis zum Anschlag herausgearbeitete Komponenten, um sie unverwechselbar zu machen. Die Handschrift des Winzers ist entweder eine dieser Komponenten, oder sie vereint die Komponenten. Bei Schann-Franswoa ist es die Handschrift, die 1. die Salze des Terroirs und 2. den Holzeinsatz vereint. Und noch mehr als die Salze des Terroirs ist es der sehr spezielle Einsatz der Stückfässer, das Verhältnis zwischen neuem und gebrauchtem Holz, der für diesen herrlichen Geschmack des Schann-Franswoa-Dorflagen-Meursault verantwortlich zeichnet. Finde ich. Und habe richtig gefunden.
Coche-Dury-Weine haben alles, was die Naturweinszene hassen muss. Der Winzer lebt die konventionelle Landwirtschaft (wenig Herbizide, dafür alles andere, vor allem Fungizide satt), er verwendet verpöntes, getoastetes Holz und noch dazu sind seine Weine scheißteuer. Schann-Franswoa ist der alte, weiße Mann der konventionellen Weinszene: konservativ, in Ansätzen sogar reaktionär und im Eigentlichen auch schlicht. Er zählt zu jenen Winzern, die auf die Frage „Wie machen Sie das?“ mit „Keine Ahnung, das haben wir immer schon so gemacht“ antwortet.
Coche-Dury-Weine haben alles, was die Naturweinszene hassen muss.
Und wahrscheinlich ist es genau so: Schann-Franswoa hat keine Ahnung, wie seine Handschrift geht. Sie passiert ihm einfach. Jahr für Jahr. Der Beweis dafür sind die Weine, für die sein Sohn neuerdings verantwortlich zeichnet. Die haben auch eine Handschrift. Nur muss diese erst entdeckt werden. Oder der Lawinenhund findet sie. Unter den Trümmern der Handschrift des Vaters. Mon dieu!
Also: Der Meursault-Dorflage von Schann-Franswoa ist ein einfach gestrickter Chardonnay, der nach den Salzen des Terroirs und nach dem Toasting der Halbstück-Fässer schmeckt. Und auch riecht. Und dann kommt wohl auch ein bisschen Kellerflora hinzu, weil die Franzosen ihre Keller ja nie aufräumen. Hat der Wein dann einen Fehler, dann nennen sie den „Teil des Terroirs“und machen die Flaschen teurer. Es findet sich immer ein Depp.
Der Meursault-Dorflage von Schann-Franswoa ist so simpel gestrickt wie der Beatles-Song „Let It Be“. Oder wie das Wort „lecker“, für das man in Österreich nach dem Aussprechen zwei Tage schweren, verschärften Karzer in einem Abschiebe gefängnis an der bayrischen Grenze bekommt. Das Besondere an dem Wein ist, dass er simpel ist, lecker schmeckt und süchtig macht. Das kriegt nur ein Winzer hin, der nicht viel nachdenkt, der quasi ohnmächtig keltert. Schann-Franswoa denkt sicher manchmal vor dem Einschlafen: „Was finden die alle an meinem Meursault? Was schmecken die alle aus meinen Weißweinen raus?“
Da steht es: Schann-Franswoa hat auch noch andere Weißweine. Einen sehr günstigen, den er aus der regionalen Proletensorte Aligoté keltert (den bekamen früher nur die Weingutsarbeiter zum Sorgen-Wegtrinken), und ein paar teure Lagenweine, die man eh nie bekommt und man sich so auch weder die Lagen noch die Clos merken muss.
Das Beste aber: Zwischen dem günstigen Aligoté und den 1000-Euro-teuren Lagenweinen ist nicht rasend viel Unterschied rauszuschmecken. Also ja: Da ist sicher was. Aber im Grunde haben alle Weißweine von Schann-Franswoa die gleiche Terroirsalze-Fasstoasting-Kellerflora-Handschrift.
Die Rotweine des Weinguts braucht man nicht zu probieren.
Rotwein können weder Vater noch Sohn. Nun gut: Man kann sie trinken und sie machen auch Vergnügen. Allerdings nicht so viel, dass dieses den eher unverschämten Preis vergessen macht. Zum Schluss noch: Man sagt, dass der Sohn von Schann-Franswoa der Front-National adoriert. Also den französischen Rechtsextremen. Das ist gut so, denn wenn er die Bude demnächst übernimmt und andere Weine keltert, weil er ja andere Weine keltern muss, weil der Vater ja nicht weiß, was seine Handschrift ausmacht, und weil die Vater-Handschrift mit dem Vaterwohl für immer verloren geht. Wenn dann das Weingut also logischerweise abkackt, dann erlaube ich mir lässig einen politischen Grund vorzuschieben, der erklärt, warum ich nun Abstand nehme. Bis dahin (in ein, zwei Jahren) saufe ich die letzten Meursaults leer und beende die Beziehung zu diesem Wein. Auch wenn er mich in der Erinnerung heimsuchen wird, bis mir kein Licht mehr leuchtet.