Tilly Devine ist ein Shiraz aus McLaren Vale in Australien, benannt nach einer berüchtigten Zuhälterin undSchmugglerin aus dem Sydney der 20er-Jahre. Sie war so erfolgreich im Weinschmuggel, dass ihr Name im Slang der Straße als Synonym für Wein verwendet wurde. Der rein typografische Entwurf des Designers Matthew Remphrey der Agentur Parallax visualisiert eindrucksvoll mit einfachen Mitteln, dass Tilly zu ihrer Blütezeit entweder hinter Gefängnisgittern oder in Cocktailbars zu finden war.

Vi Novell vom Celler Masroig im Priorat, bedeutet auf Katalanisch „junger, rauer Wein“, der traditionell gleich in den ersten Monaten nach der Ernte verkauft und getrunken wird. Dieser Zeitpunkt fällt in Katalonien zeitlich mit der Schlachtung der Schweine am 11. November zusammen. Das vom katalanischen Designstudio atipus entworfene Etikett des Vi Novell referenziert mit fast ausschließlich typografischen Mitteln Einwickelpapiere, wie man sie noch aus Fleischereien kennt. Die Tage der Schlachtung am Dorfplatz wurden schon lange dem Tierschutz und den Hygienevorschriften geopfert, doch der eine oder andere Winzer beschert dem jungen Vi Novell ein langes Leben.

Casa Mariol ist ein altes und bodenständiges Weingut aus dem Gebiet Terra Alta in Katalonien. Sie sehen ihre farbigen, von Bendita Gloria entworfenen Etiketten als Antithese zum dem in der elitären Weinwelt mitschwingenden Luxus. Gestaltet wurden sie nur mit Microsoft Word und Excel, die Weine vermeiden ausgefallene Beschreibungen und nennen die Dinge in katalanischer Reserviertheit ohne Umschweife beim Namen - Rebsorte und Alter, damit ist doch alles Wesentliche gesagt.

Puristisch und minimal bis zum Maximum, dabei einprägsam selbst noch im Vorbeifahren. Das Etikett von Claus Preisinger spiegelt perfekt seine Person und Arbeitsweise wider, Handarbeit im Weingarten, minimaler bis gar kein Eingriff im Keller. Ein weißes Label, einzig von der Unterschrift des Winzers geziert. Bei aller Schlichtheit ein gewichtiges Statement und die persönlichste aller Typografien. Gestaltet von Nikolaus Eberstaller.

Terroir al Límit, katalanisch für „Terroir an der Grenze, am Limit“, ist ein treffender Name für das Projekt von Dominik Huber und Jaume Sabaté. Das Gebiet im Priorat ist rau, trocken, heiß und steil und biodynamischerAnbau erfordert viel Handarbeit. Dazu kamen die unterschiedlichen Charaktere der Winzer und der Versuch, mit lokalem Purismus internationalen Flair zu erlangen. Der Designer Joan Josep Bertran hat diese Kontraste hart, aber poetisch umgesetzt und Etiketten geschaffen, die so einfach wie tiefgründig sind. Die Marken, Produktnamen und restlichen Informationselemente sind hierarchisch in einem typografischen Mix geordnet, welcher ein glaubwürdiges Gleichgewicht zwischen Kraft, Eleganz und Sprache schafft.

Die verspielten Etiketten, die ww für limitierte Magnumflaschen der Manousakis Winery auf Kreta entworfen hat, illustrieren die Reise vom Wein ins Glas. Jeder Buchstabe zeigt eine Etappe, das N (von Nostos) unterstützt die Rebe, das R (Roussanne) stampft die Traube, das G (Grenache) entnimmt als Weindieb die Probe, und das S (Syrah) ist die Hand, die den fertigen Wein endlich im Glas schwenkt. Das Ganze noch per Letterpress auf Baumwollpapier handgemacht und geprägt. Das war dann sogar Lürzer’s Archiv eine Auszeichnung wert.

Verspielt und plakativ greift Print Liberation die Tradition dünner und schwerer Pinselstriche alter amerikanischer Ladenschilder auf und schafft eine visuelle Komplexität, die der Struktur und dem Geschmack der Weine von Municipal Winemakers entsprechen soll.

Typejockeys, die Kreativen der Etiketten für Johannes Trapl in Österreich, suchten nachalten Rahmen und Schriften, um auf jeder Flasche die Liebe zum Detail, die auch den Winzer bei seiner Arbeit auszeichnet, greifbar zu machen. Das Etikett lädt ein, kleine versteckte Geschichten zu entdecken.

Mit dicken, fetten Lettern und manipulierten Strichstärken schaffte es Cordula Alessandri, den Etiketten von Château de Roquefort einen visuellen Rhythmus einzuhauchen, der einzigartig und unverkennbar ist und durch eine sympathische, aber unkonventionelle Gefälligkeit die Persönlichkeit des Winzers Raimond de Villeneuve abbildet.

Mit rein typografischen Mitteln und teils einfachen, aber prägnanten Sprüchen erreicht das Weingut Bauer, dass man seine Flaschen, hat man sie einmal in die Finger bekommen, nie wieder vergisst.

Ähnlicher Mittel bedient sich Fuenfwerken beim Entwurf für den Wein Der Sommer war sehr groß vom Weingut Franzen. Das Zitat, entliehen einem Gedicht von Rainer Maria Rilke, bezieht sich auf das ereignisreiche und tragische erste Jahr des Winzerpaars, welches in vielerlei Hinsicht einen Neuanfang darstellte. Jeden Jahrgang ziert ein immer neu entwickeltes Etikett, welches sich in seiner Gestaltung an ein Buchcover anlehnt. Klappentext: „Der Wein, den man gelesen haben muss.“

Zum 26. Geburtstag von Melanie Stumpf wurde am Weingut Bickel-Stumpf die Linie twentysix eingeführt. Im Zuge der sanften Überarbeitung des Erscheinungsbildes des Weingutes haben die Macher von Schluck diese neue Linie auf ihr Aufgabengebiet in großen Metropolen vorbereitet, um mit einem dicken Bekenntnis zum Alter an jedem Türsteher vorbeizukommen.

Die Designerin Miryam Anllo von Di Labhat das Projekt Di12 für das Weingut Valdelosfrailes in der am Kilometerstein 211 von Madrid gelegenen Provinz Urueña initiiert, bei dem zwölf namhafte Designer je eine Flasche der auf 211 Stück limitierten Sonderedition gestalteten. Was auf den ersten Blick wie eine kabbalistische Verschwörung von Zahlenmystikern an-mutet, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als schönes Beispiel für denUmgang mit Typografie als Bild – von konkret bis hin zur totalen Abstraktion.

Zum Abschluss die Etiketten zweier Weine, die es nicht mehr nötig haben, vorgestellt zu werden, welche aber in ihrer simplen und unprätentiösen typografischen Gestaltung im krassen Widerspruch zu der Liga stehen, in der sie spielen. Beide haben den Sprung vom Etikett zur Trademark geschafft.