„Ich habe mein Frausein eher als Vorteil betrachtet.“ Das sagt Caro Maurer, Deutschlands erste Master of Wine und weltweit geschätzte Publizistin. Die Frage war, ob es für Frauen in der Weinbranche schwierig wäre. Maurer weiter: „Vielleicht bin ich ja blind, vielleicht habe ich alle Widerstände einfach geflissentlich übersehen. Aber ich habe eigentlich immer nur das Gegenteil wahrgenommen: Offenheit und auch Freude, dass sich da eine Frau einreihte in die Männerdomäne.“ Maurer hatte nie schlechten Erfahrungen und sagt: „Es ist egal, in welchem Bereich des ,Wine Business‘ man sich umschaut: Sommelier, Marketing, Journalismus, Einkauf – Frauen sind überall vertreten und erfolgreich.“
ZUM SELBSTBEWUSSTSEIN ERZOGEN
Die steirische Winzerin Katharina Tinnacher wusste schon sehr früh, dass sie sich von Klischees von ihrem Berufswunsch nicht abschrecken lassen würde. „Meine Schwester und ich sind nach dem Grundsatz erzogen worden, dass es generell nichts gibt, das wir nicht machen können. Dieses Selbstverständnis ist tief in mir verankert und ich denke es ist ursächlich dafür, dass ich niemals gezweifelt habe, dass ich auch als Frau in der ,Männerdomäne Wein‘ meinen Weg gehen kann.“
Auch als Frau in der ,Männerdomäne Wein‘ kann ich meinen Weg gehen
Der Weg war klar: Er sollte in den Weingarten und den Keller führen. Widerstände in der Branche? „Ob man etwas schwer oder als Wider-stand empfindet, ist natürlich immer subjektiv, fordernd sind der Weinbau und das Wein machen auf jeden Fall. Akzeptiert habe ich mich als Frau in der Weinbranche immer schon gefühlt – vor allem bei mir zu Hause in der Steiermark ist das für meine männlichen Winzerkollegen selbstverständlich. Respekt und Wertschätzung, das muss man sich als Winzer – egal ob Mann oder Frau – durch Wissen, Erfahrung, einen individuellen Weinstil und Konsequenz in Wort und Tat erarbeiten.“
Vielleicht muss man sich nur die richtigen Eltern aussuchen, denn auch Caro Maurer sagt: „Ich habe nur Schwestern, genau genommen drei, mein Vater hatte also nur Töchter. Er hat mich erzogen in der Überzeugung, dass ich alles in meinem Leben erreichen kann. Ich habe meine Chancen nie infrage gestellt, sondern habe sie wahrgenommen.“ Ehrlicherweise wird man einräumen müssen, dass dies nicht immer so war. So sagt Anne Krebiehl, Master of Wine und weltweit geschätzte Wein-Fachfrau: „Frauen waren immer wichtig, aber gehandelt, entschieden, agiert haben die Männer. Frauen wie die Heilexpertin Hildegard von Bingen, die Witwe Clicquot oder Madame Pommery in der Champagne waren die Ausnahmen, die die Regeln bestätigten. Zu meiner Lebenszeit hatte sich das alles schon sehr geändert, wenn gleich es noch unheimliche Nachzügler gibt.“
AUFBRUCH IN DEN 90ER-JAHREN
Katharina Tinnacher findet, dass die Frauen erst seit einer Generation ihre Rolle eingenommen haben, die eine Rolle der Gleichberechtigung und der gleichen Geltung ist. Sie sagt: „In den 1980er- und 1990er Jahren waren Winzerinnen wie Heidi Schröck, Rosi Schuster oder Ilse Maier die absolute Ausnahme in der männerdominierten österreichischen Weinbranche. Damals galt es sicherlich, einige Vorurteile und gedanklichen Barrieren zu durchbrechen.
Vielen Frauen Mut gemacht, diesen Beruf zu ergreifen
Als die Winzerinnen dann 2000 die Gruppe "11 Frauen und ihre Weine" gegründet haben, hat das Thema "Frauen im Weinbusiness" in Österreich erstmals breitere Aufmerksamkeit bekommen.
“Man hat gesehen – es gibt viele tolle Winzerinnen und sie machen ebenso hervorragende Weine wie ihre männlichen Kollegen. Mit ihrem sympathischen und selbstverständlichen Zugang zum Thema „Frauen und Wein“ habe die Gruppe einen besonders wertvollen Beitrag zur österreichischen Weinwirtschaft geleistet und vielen jungen Frauen Mut gemacht, diesen Beruf zu ergreifen. 2003 wurde Heidi Schröck als erste Frau zum Falstaff-Winzer des Jahres gekürt. Tinnacher sagt: „Ich denke, das war sicherlich auch ein wichtiger Meilenstein, wenn es um die Gleichberechtigung in der Wahrnehmung geht.“
EINE FRAU, DIE SICH BEIM WEIN AUSKENNT? GIBT’S JA NICHT
Mittlerweile gäbe es zahlreiche Winzerinnen in Österreich und einige tolle, sehr individuelle Frauen in der Weinbranche, die ihr Können seit vielen Jahrzehnten höchst erfolgreich unter Beweisstellen. Allerdings wendet Katharina Tinnacher ein: „Im internationalen Vergleich sind es aber immer noch zu wenig.
Für manche unvorstellbar, dass Frauen selbst Wein machen
Ich würde sagen wir stehen aktuell in Österreich bei unter 10 Prozent weiblichen Betriebsführern, da wäre aus meiner Sicht noch großes Potenzial nach oben.“ Manches Mal muss sie sich auch wundern: „Nach wie vor treffe ich auf Menschen, für die es unvorstellbar ist, dass Frauen selbst Wein machen und erfolgreich ein Weingut führen können. Da springen für mich auch ab und zu männliche Winzerkollegen in die Bresche und erklären dem einen oder anderen Ungläubigen, dass ich nicht die Marketingdame bin, sondern selbst im Weinberg und Keller arbeite.“
MAINSPLAINING UND NAMEDROPPING
Der Sommelière Maria Rehermann fällt eines besonders auf. „Zum einen arbeiten beide Geschlechter gleichermaßen in dem Business, beim Wein, in der Gastronomie. Doch wenn man sich die Managementpositionen anschaut, da sind immernoch mehr Männer als Frauen vertreten“,sagt sie. Die alten weißen Männer bleiben auch bei Verkostungen lieber unter sich: „Gerade hier in Nordrhein-Westfalen bin ich ganz oft bei den großen Verkostungen immer noch die einzige Frau. Und dann oftmals auch noch um einiges jünger als so manch anderer Teilnehmer.“
Frauen wird ja nachgesagt, dass sie Weine anders beurteilen als männliche Kollegen, stimmt das? „Ich denke, ja. Vielleicht nicht ganz so faktisch, auf analytische Werte bezogen. Ich persönlich beschreibe Wein nie als maskulin oder feminin. Finde das irgendwie doof.“
Wein maskulin oder feminin? Finde ich doof!
Unterschiede zwischen Damen und Herren gibt es nicht nur in der Branche, sondern auch bei den Gästen. Die Sommelière sagt: „Es sind tatsächlich meist nur Männer, die sich mit Wein wahnsinnig profilieren wollen. ,Was hast Du schon getrunken, was habe ich getrunken‘, der bekannte Längenvergleich über den Wein.“ Name-Dropping galore! Zu dem Thema hat auch Anne Krebiehl etwas zu erzählen: „Was mich immer wieder amüsiert, ist das Mansplaining beim Thema Wein. Männerkönnen einer Frau oft stundenlang etwas erklären.“ Es sei bezeichnend, wie selbstverständlich es für Männer ist, Raum und Zeit in Anspruch zu nehmen. Und auch, dass sie höhere Gehälter bekommen.
"Was hast Du schon getrunken, was habe ich getrunken", der bekannte Längenvergleich über den Wein.“ Name-Dropping galore!
UNGLEICHE GEHÄLTER FÜR GLEICHE ARBEIT
Sie sagt: „Bei der London-Tagung des Verbands Women of the Wine and Spirit gab es einen Vortrag von einer McKinsey-Konsulentin am Beispiel des US-Marktes, die Daten, Zahlen und Fakten nannte zur Ungleichheit in Sachen Bezahlung, Gehalt, Wertschätzung und Beförderung. Das machte mich wütend. Ich beschloss, andere Frauen noch mehr zu unterstützen.“ Und was den Respekt betrifft, schenkt Krebiehl noch nach: „Mir ist es schon passiert, dass ich in Meetings war, wo von mir erwartet wurde, den Kaffee einzuschenken. Die Zeiten jedoch sind vorbei.“
Caro Maurer sieht das eher amüsiert: „Ich musste manchmal einfach lachen. Zum Beispiel, als bei einer vertikalen Verkostung von TBAs vom Weingut Weil versus Château d’Yquem mir ein bekannter deutscher Medienmanager auf die Schulter klopfte und sagte: ,Das finde ich aber schön, dass Sie als Frau mit uns Wein probieren.‘ Der hatte überhaupt nicht verstanden, dass meine Verkostungsnotizen anschließend publiziert werden – und er eigentlich nur die prominente Staffage bei der Weinprobe war.“ Beginnt man dann schon mal die Männerwelt zu hassen? Maurer: „Hass? Nein. Ganz im Gegenteil: Ich bin mit Kollegen ebenso befreundet wie mit Kolleginnen. Das Geschlecht war für mich nie entscheidend, sondern immer die Persönlichkeit.“
Caro Maurer MW: "Das Geschlecht ist für mich nie entscheidend, sondern immer die Persönlichkeit.“
WEIN BRINGT DIE WAHRHEIT AN DEN TAG: WIRKLICH SCHLECHTES BENEHMEN
Und doch, manchmal befindet man sich als Frau auch beim Thema Wein in einer Hashtag-Situation. Über #metoo-Erfahrungen können alle berichten. Anne Krebiehl sagt: „Was manche sich erlauben... verbal und körperlich! Erst vor anderthalb Wochen saß ich neben einem Gastgeber mit sogenannten ,wandering hands‘, dessen Ehefrau allerdings am Tisch auch präsent war – ich bin weggerückt, kaum, aber merklich, es gab keine Szene – aber diesen Mann werde ich nie mehr respektieren können – und seine (ausgezeichneten)Weine schmecken mir jetzt weniger gut.
“Viele Männer bedauern, seit #metoo sei die Erotik aus allem raus. Anne Krebiehl sagt dazu: „Wirkliches Flirten, wirkliche Romanze, wirkliche Erotik hat mit Begrabschen nichts zu tun, ist viel subtiler, viel unterschwelliger, viel instinktiver als abgedroschene Anzüglichkeiten. Oder die Angewohnheit, mit meiner Brust und nicht meinem Gesicht zu reden.“
Und Katharina Tinnacher muss feststellen: „Es gibt leider einen versteckten Malus für Frauen in der Weinbranche, der immer latent mitschwingt. Nicht in meiner liberalen Bubble, aber dann, wenn ich sie verlasse. Ich meine derbe sexistische Aussagen, leider manchmal auch branchenintern, mit denen viele Winzerinnen (wahrscheinlich alle Winzerinnen) im Laufe ihres Berufslebens konfrontiert werden. Solche Konfrontationen kosten Energie.“ Manches wäre dann einfach zum Lachen. „Nach einem Vortrag zum Thema Sauvignon Blanc ist ein junger Student aus Frankreich aufgestanden, hat um das Mikrofon gebeten und angesichts eines gereiften Weins enthusiastisch verkündet: „When George Taber (Time Magazin) describes Sauvignon Blanc from New Zealand as being like having sex for the first time, then this wine is like having an one night stand with two beautiful women.“ Ich entgegnete: „Ah, interesting. So how do you know?“
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Caro Maurer ist seit 2011 die erste weibliche Master of Wine im deutschsprachigen Raum. Viele Jahre arbeitete sie als leitende Redakteurin für Forbes und Die Welt u.a. in New York & L.A.. Seit rund 25 Jahren konzentriert sie sich auf die Themen „Essen & Wein“ und schreibt für den General-Anzeiger in Bonn und die Magazine Der Feinschmecker und Decanter, unterrichtet für den Wine and Spirit Education Trust, moderiert Weinseminare und ist Jurorin für internationaleWeinwettbewerbe. Seit 2018 gehört Caro Maurer zum Council des Institute of Masters of Wine.
Anne Krebiehl ist seit 2014 Master of Wine. Ursprünglich kommt sie aus dem Schwarzwald, lebt aber seit vielen Jahren in London. Krebiehl arbeitet als Redakteurin bei Vinousmedia.com, und schrieb für den renommierten WineEnthusiast, hält Vorträge (hauptsächlich zum Thema deutscher und österreichischer Wein), ist Jurorin bei internationalen Verkostungen und berät als Wine Consultant. Im Herbst 2019 hat sie ihr erstes Buch veröffentlicht: The Wines of Germany (Classic Wine Library).
Katharina Tinnacher leitet seit 2012 das elterliche Weingut in Gamlitz, welches zu den ältesten Weingütern in der Südsteiermark zählt. Die Absolventin der Wiener Universität für Bodenkultur bewirtschaftet ihre 28 Hektar Weingärten biologisch, ihre Weine erzielen regelmäßig Topbewertungen. Tinnacher denkt nachhaltig, naturverliebt und enkelgerecht und zeigt, dass man ein Weingut modern und zeitgemäß führen und dennoch in Generationen denken kann.
Maria Rehermann war u.a. Sommelière im Althoff Grandhotel Schloss Bensberg (Bergisch-Gladbach) bei Köln. Die Dresdnerin kümmerte sich um die Weine im Vendôme, für das Drei-Sterne-Koch Joachim Wissler kocht. Für viele gilt das Restaurant seit Jahren als das beste Restaurant Deutschlands. Davor war Rehermann Sommelière in den Restaurants HIDE (London) und Reinstoff (Berlin). Ihre Karriere begann sie im Relais & Châteaux Hotel Burg Wernberg. Stationen im Ausland führten sie nach Schottland und Südfrankreich, in den Bayerischen Hof(München) und zu Tim Raue (Berlin).