Wein ist das Blut Jesu Christi – bis auf griechischer Wein, der ist bekanntlich das Blut der Erde. Ob es an der Theologie oder Udo Jürgens liegt, dass vielen Weinen nachgesagt wird, sie schmeckten nach Blut oder rohem Fleisch, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Tatsache aber ist: es gibt diese Geschmacksklasse bei Weinen – für Veganer, Atheisten und Schlagerhasser enthält sie alternativ die Ausprägung ‚Eisen‘.
Was ist dran am Blut- und Eisengeschmack?
Was ist dran, am Blut- und Eisengeschmack? Drei Fragen gilt es zu klären: Haben Blut, Eisen und rohes Fleisch geschmacklich überhaupt etwas gemein? Wie passt das in die geschmackliche Beschreibung von Wein? Und beschreiben die drei geschmacklichen Vokabeln ein tatsächliches Phänomen, oder sind sie reine Assoziation?
Die erste Frage beantwortet ein Mediziner. „Der Geschmack und Geruch von Blut wird als metallisch beschrieben. Und es gibt eine gute Chance, dass das mit Eisen zu tun hat. Das als ‚Blutfarbstoff‘ und wichtigster Bestandteil der roten Blutkörperchen bekannte Hämoglobin ist ein Proteinkomplex, in dessen Zentrum Eisenionen stehen“, erklärt Dr. Sven Peine, Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Eppendorf. „Ob es aber wirklich der Geschmacksträger ist, hat man meines Wissens nicht erforscht, weil das medizinisch schlicht irrelevant ist.“ Hämoglobin ist für den Sauerstofftransport zuständig – und schmeckt vielleicht nach Eisen.
‚Blutfarbstoff‘
Aber was ist mit rohem Fleisch? „Im Muskelfleisch übernimmt dann das Myoglobin den Sauerstoff vom Hämoglobin“, erklärt Dr. Peine. Myoglobin ist ein weiterer eisenhaltiger Proteinkomplex, der auch für die rote Farbe von Muskelfleisch zuständig ist. Auch hier ist die Geschmacksfrage nicht wissenschaftlich geklärt. Doch wenn man ein Steak brät, wird dieses Myoglobin nach und nach denaturiert, weswegen durchgebratenes Fleisch auch nicht mehr rot, sondern grau ist. Und je grauer das Fleisch (mithin je weniger Myoglobin vorhanden), desto weniger bleibt vom charakteristischen, rohen Geschmack. Aber ist es zulässig, vom Menschen auf das Steak zu schließen? „Der Hämoglobin-Myoglobin-Komplex findet sich bei allen Säugetieren, nicht nur beim Menschen“, erläutert der Transfusions-Spezialist.
Die Basis ist also plausibel, wenn gleich nicht letztgültig bewiesen: Blut und rohes Fleisch riechen und schmecken mehr oder weniger nach Eisen. Darauf einen blutigen Wein: eine Flasche Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Erstes Gewächs aus dem Jahr 2016 von Chat Sauvage – ein besonders guter Wein von einem besonders guten Weingut. Der war schon immer auf der blutigen Seite und ist es auch heute wieder. Blut in der Nase und rohes Fleisch am Gaumen. Gemeint ist das als Kompliment, aber wie sieht das der Erzeuger?
Assoziation von menschlichem Blut?
„Die Assoziation mit rohem Fleisch bei unseren Pinots begegnet mir häufiger. Ich verwende den Begriff selber gelegentlich, wenn ich Kunden unsere Johannisberger Hölle beschreiben soll. Da ist dieser Geschmack besonders ausgeprägt“, erklärt Verena Schöttle, Betriebsleiterin und Kellermeisterin bei Chat Sauvage. Die Winzerin bevorzugt dabei ganz klar das rohe Fleisch: „Die Beschreibung ,blutig‘ vermeide ich, denn ich glaube, damit verschrecke ich unsere Kunden. Bei rohem Fleisch denken die Menschen an Lebensmittel. Den Begriff ‚Blut‘ assoziiert man meines Erachtens zuerst mit menschlichem Blut und das wiederum empfinde ich in Verbindung mit einem Genussmittel eher als abschreckend.“ Auch das zweite Ergebnis ist also positiv: rohes Fleisch, und damit Eisen und auch Blut passen – manches mehr, manches weniger – zur sprachlichen Geschmacksbeschreibung.
"Blut in der Nase und rohes Fleisch am Gaumen."
Letzte Hürde: Woher kommt der Blutgeschmack im Wein? Ist es wirklich das Eisen? Müsste es dann nicht auch blutige Weißweine geben? Prof. Otmar Löhnertz von der „Wein-Uni“ in Geisenheim ist der Mann, der das Eisen aus dem Feuer holt, leider auch aus dem Wein (siehe Interview). Ja, es gibt Böden, die mehr Eisen als andere enthalten, ja, die dort gewachsenen Weine enthalten eventuell mehr Eisen und Rotwein enthält potenziell immer mehr Eisen als Weißwein, doch der entscheidende Satz lautet: „Egal wie viel Eisen es nachher ist, der Eisengehalt von Wein liegt in jedem Fall unterhalb des Schwellenwertes, ab dem Eisen schmeckbar wäre.“
Es ist also nicht ein besonders eisenhaltiger Boden, der Wein nach Blut schmecken lässt. Was ist es dann? Da war ja noch die Geschichte mit dem Blut Jesu. Vielleicht eine Art göttliches Qualitätskriterium? Das ließe sich zumindest empirisch belegen. Denn je blutiger der Pinot oder Blaufränkisch, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass einer der beteiligten Zecher „göttlich!“ in die Runde ruft.
"Wir haben die Pflanze umgebracht!"
Interview mit Prof. Otmar Löhnertz über Eisen in Boden, Pflanze und Wein:
Prof. Löhnertz, was macht die Rebe mit Eisen aus dem Boden?
"Die Rebe nimmt Eisen auf, denn es hat zum einen eine zentrale Funktion für die Bildung von Chlorophyll, zum anderen ist es auch für Pflanzen ein Spurenelement und wie beim Menschen für die Energieübertragung durch Sauerstofftransport nötig."
Gelangt Eisen auch in die Traube und wenn, in welcher Form?
"Ja, für den Zuckertransport in die Beere ist Eisen nötig und dieses wird in der Beerenhaut eingelagert, allerdings in geringen Mengen, die Beere ist das Endprodukt und an der Stelle wird nicht mehr so viel Energie transportiert. Das Eisen in der Schale liegt vor allem in organischen Verbindungen vor, etwas weniger Komplex als das Hämoglobin bei uns, aber durchaus vergleichbar. Allerdings sind die Mengen niedrig und reichen meiner Meinung nach niemals aus, um schmeckbar zu sein."
Gibt es denn Unterschiede zwischen Rotwein und Weißwein?
"Ich weiß von keiner Studie, die untersucht hätte, ob in der Schale blauer Trauben mehr Eisen steckt. Klar ist aber, dass ein maischevergorener Wein in der Regel mehr Eisen enthält als ein Wein aus direkt abgepresstem Most, denn das Eisen steckt ja in der Schale. Rotwein enthält also vermutlich im Schnitt mehr Eisen."
Gibt es überhaupt eisenreiche Böden?
"Ja, alle mitteleuropäischen Böden sind relativ stark eisenhaltig. Aber einige Böden sind besonders eisenhaltig. Vielen kann man es von außen ansehen, denn sie sind rostrot, wie etwa der Rote Hang am Rheinufer bei Nierstein, oder auch der Geisenheimer Rothenberg hier bei uns. Diese Böden haben mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch mehr Eisen in Lösung, also für Pflanzen zur Verfügung."
Und mehr Eisen im Boden heißt mehr Eisen im Wein?
"Mehr Eisen zur Verfügung heißt, die Rebe nimmt auch mehr auf. Wir haben das getestet und eine Pflanze mit Eisensulfat überschwemmt. Die Rebe kann sich nicht wehren, sie nimmt immer weiter Eisen auf. In unserem Fall nahm die Rebe soviel Eisen auf, dass die Blätter binnen Stunden schwarz wurden. Am Ende des Versuchstages hatten wir die Pflanze damit umgebracht. Ob mehr Eisen in der Rebe aber auch mehr Eisen in der Beere und dann im Wein bedeutet, haben wir nicht untersucht, weil der Eisenanteil eh niedrig ist. Das spielt sich wie gesagt alles unter der geschmacklichen Wahrnehmungsschwelle für Eisen ab. Sie müssen bedenken, bevor Edelstahl Einzug in die Keller hielt, war dort reichlich Eisen im Einsatz. Dadurch gelangten manchmal Eisenmengen in den Wein, die so hoch waren, dass sie zu Trübungen führten und mittels Blauschönung entfernt werden mussten. Und selbst in diesen Zeiten war Eisengeschmack im Wein kein echtes Thema."
Was halten Sie denn von der "Blut/Eisen/Rohes Fleisch-Kategorie" in der Weinsprache?
"Ich selbst verwende alle drei Vokabeln nicht, aber vor allem, weil mir diese Assoziation nie kommt. Ich leite hier an der Hochschule aber eine Reihe von Veranstaltungen mit Verkostungen, bei denen Teilnehmer häufig mit diesen Beschreibungen arbeiten und ich habe kein Problem damit."
Otmar Löhnertz ist Vize-Präsident Lehre und Leiter des Instituts für Bodenkunde und Pflanzenernährung an der Hochschule Geisenheim University, Deutschlands wichtigster Forschungsanstalt und Hochschule für Weinbau.
DRAKULAS WEINKELLER
10 Weine, bei denen das Schluck-Team blutrünstig wird:
JEAN STODDEN Ahrweiler Rosenthal Spätburgunder Großes Gewächs (Ahr)
REINHOLD & CORNELIA SCHNEIDER Spätburgunder trocken *** C (Baden)
RUDOLF FÜRST Centgrafenberg Frühburgunder (Franken)
KOPFENSTEINER Szapary Blaufränkisch Eisenberg DAC Reserve (Südburgenland)
UWE SCHIEFER Eisenberg Blaufränkisch Eisenberg DAC (Südburgenland)
WENINGER Steiner Kékfrankos (Sopron/Ungarn)
FRANCOIS VILLARD Saint-Joseph "poivre et sol" Syrah (Rhône)
E.GUIGAL Côte-Rôtie Syrah (Rhône)
DOMAINE GOURT DE MAUTENS Rasteau DOC (Rhône)
LILIAC Pinot Noir "Private Selection" (Transsilvanien/Rumänien)