UGA steht für Unità Geografica Aggiuntiva – eine typische Kreation aus dem Sprachlabor der EU-Bürokraten. Die italienische Version hört sich für unsere Teutonenlauscher noch okay an (klingt halt Italienisch …, können wir bloß nicht aussprechen). Aber die deutsche Übersetzung: „zusätzliche geografische Einheit“, ist so unsexy, dass wir sie hier nicht weiter verwenden. Wir nennen die Unità Geografiche Aggiuntive einfach UGAs.

UGA, UGA, UGA

Die UGAs gibt‘s seit gut einem Jahr, sie unterteilen die Appellation Chianti Classico in genau abgegrenzte Bereiche. Davor ließ sich das Anbaugebiet nur durch die 8 Gemeinden gliedern, die ganz oder teilweise im Anbaugebiet liegen. Diese Funktion haben nun die insgesamt 11 UGAs übernommen.

Wenn man sich der Appellation von Norden nähert – und das machen wohl die meisten von uns – und sie dann im Uhrzeigersinn durchfährt, haben die UGAs folgende geografische Reihenfolge: San Casciano, Greve, Montefioralle, Lamole, Panzano, Radda, Gaiole, Castelnuovo Berardenga, Vagliagli, Castellina und San Donato in Poggio.

Differenzierung si, Klassifikation no

Die UGAs sind nicht hierarchisch gegliedert und stellen keine Klassifikation dar. Sie dienen lediglich der Differenzierung innerhalb des Anbaugebiets. Alle 11 Teilgebiete stehen gleichberechtigt nebeneinander. Die geografische Unterteilung ermöglicht eine genauere Identifizierung des Ursprungs.

Ein Chianti Classico mit Angabe einer UGA auf dem Etikett ist aber nicht zwangsläufig von höherer Qualität als einer ohne eine Angabe. Das gleiche gilt für zwei Chianti Classico aus unterschiedlichen UGAs. Noch klarer formuliert: Die Angabe der UGA auf dem Etikett zertifiziert lediglich die Herkunft der Trauben.

Herkunft der Weine noch klarer definiert

Die Verwendung der UGAs ist auch dann nicht obligatorisch, wenn der Name eines Weinbergs auf dem Etikett angegeben wird (im Gegensatz zur Regelung bei den MGAs von Barolo und Barbaresco).

UGAs sind keine Unterzonen. Und anders als für Unterzonen (bei DOC- und DOCG-Weinen) gelten für UGAs auch keine strengeren Vorgaben. Ein Chianti Classico, der den Namen einer UGA auf dem Etikett angibt, darf bis zu 15 Prozent einer anderen UGA enthalten, wie im EU-Recht für Ursprungsbezeichnungen festgelegt.

Die Grenzen einiger UGAs sind identisch mit den Grenzen der entsprechenden Gemeinden. Das gilt für die UGAs, Gaiole, Radda und Castellina. Der Klarheit halber entfällt bei ihnen der Zusatz „in Chianti“ im Namen. Also zum Beispiel: Gaiole (Name der UGA) und Gaiole in Chianti (Name der Gemeinde). Die UGA San Casciano deckt sich mit dem Gemeindeteil von San Casciano in Val di Pesa, der in der DOCG Chianti Classico liegt.

Die Gemeinde Greve wiederum ist in 4 UGAs unterteilt: in Greve, Montefioralle, Lamole und Panzano. Ähnliches gilt für den zur Appellation gehörenden Bereich der Gemeinde Castelnuovo Berardenga: er ist in die UGAs Vagliagli und Castelnuovo Berardenga gegliedert. Die UGA San Donato in Poggio dagegen umfasst die Teile der Gemeinden Barberino Tavernelle und Poggibonsi, die im Appellationsgebiet liegen.

UGA = Mehr Identität und Gebietscharakter

Die einzelnen UGAs unterscheiden sich zum einen durch die einzigartige Kombination natürlicher Faktoren wie Höhenlage, Ausrichtung der Weinberge, Böden und Mikroklima.

Differenzierung innerhalb des Gebietes

Zum anderen durch kulturelle Faktoren wie ihre spezielle Geschichte, lokale Traditionen, Arten der Weinherstellung und Kultivierung der Weinberge.

Mit Angabe der UGA auf dem Etikett wird die enge Bindung des Weins mit seinem jeweiligen Ursprungsgebiet kommuniziert. Die Herkunft der Weine wird damit noch klarer – für Weingenießerinnen und Terroirfreaks ein kultureller und emotionaler Mehrwert.

 

 

Chianti Classico Gran Selezione

Im Augenblick gelten die UGAs nur für die Top-Kategorie Gran Selezione, die 2014 eingeführt wurde. Auch sie feiert in Berlin also einen runden Geburtstag.

Der Chianti Classico Gran Selezione bildet die Spitze der Qualitätspyramide. Er wird aus den besten Trauben des Weinguts hergestellt, der Zukauf von Trauben ist verboten.

Erst nach einer Mindestreifezeit von 30 Monaten und einer obligatorischen Flaschenreifung von drei Monaten darf der Wein in den Handel gebracht werden.

Mit Einführung der UGAs wurde der Sortenspiegel für die Gran Selezione geändert. Ein Chianti Classico Gran Selezione muss nun mindestens 90 Prozent Sangiovese enthalten. Die restlichen 10 Prozent sind den lokalen roten Sorten vorbehalten, wie Canaiolo, Colorino und Malvasia Nera. Internationale sind nicht mehr erlaubt. Hier gilt bis 2027 eine Übergangsregelung.

Auch damit ist ein klares Zeichen für mehr Herkunftscharakter und Authentizität gesetzt.

Obwohl die UGAs bisher nur für den Chianti Classico Gran Selezione gelten, ist es gut vorstellbar, dass auch die Riserva- und Annata-Weine in Zukunft ihre genaue Herkunft in Form der UGA auf dem Etikett tragen dürfen.

Die UGAs im Detail

San Casciano 

9.100 Hektar Gesamtfläche, davon 1.560 Hektar Rebfläche

Die UGA San Casciano liegt im Nordwesten der Appellation und ist quasi das Tor zum Anbaugebiet. Die Landschaft ist sehr einheitlich und ausgeprägt hügelig, die Hänge zum Teil recht steil. Wegen des milden Klimas gibt es neben Wein auch besonders viele Olivenhaine. Außerdem macht es San Casciano zu einer der Zonen mit der frühesten Traubenreife. Die Böden sind vorwiegend aus Flussablagerungen entstanden und sehr steinig. Das Gros der Weinberge liegt zwischen 150 und 375 Metern.

Die Einheitlichkeit der Landschaft, der Böden und des Klimas führt auch bei den Weinen zu einem sehr homogenen und wiedererkennbaren Stil. Das gilt besonders für den Chianti Classico Annata. San Cascianos Weine besitzen eine hellere Farbe als die der meisten anderen Bereiche. Ihre Tannine sind ausbalanciert und die Säure nie übermäßig ausgeprägt. Sie sind fruchtig und rund, schon frühzugänglich und haben einen sehr angenehmen Trinkfluss, was ihre Langlebigkeit jedoch nicht beeinträchtigt. Einen Tick strenger fallen die Weine am südlichen Rand der UGA aus. Hier zeigen sie eine gewisse Ähnlichkeit mit den Weinen der benachbarten UGA Montefioralle beziehungsweise mit denen aus der Gegend von Badia a Passignano in der UGA San Donato in Poggio. 

 

Greve

11.570 Hektar Gesamtfläche, davon 910 Hektar Rebfläche

Greve liegt neben San Cascino, im Nordosten des Anbaugebiets und wird begrenzt von der Bergkette der Monti del Chianti im Osten und dem Fluss Greve im Westen. Sie ist zweitgrößte UGA, 75 Prozent ihrer Fläche sind von Wald bedeckt. Die Böden der Weinberge sind überwiegend von Schieferton* oder Mergel geprägt. Nur verhältnismäßig wenig Reben wachsen auf sandigen, nicht-kalkhaltigen Böden (Macigno), die vor allem für die benachbarte UGA Lamole so typisch sind. Die meisten Weinberge liegen zwischen 150 und 375 Metern.

Trotz der Weitläufigkeit des Gebiets und der Unterschiedlichkeit der Terroirs sind die meisten Weine von Substanz und straffer Art geprägt. Je nach Herkunft können ihr fruchtiger Ausdruck oder Tanningehalt allerdings deutlich variieren. In der Gegend von Strada in Chianti haben sie meist dunklere Frucht, in der Gegend von Greti einen Hauch von Strenge. Die Weine bei Ruffoli im Südwesten der UGA sowie im Tal von Dudda und Lucolena im Südosten, sind weniger strukturiert, besitzen dafür aber mehr fruchtige Transparenz und Frische.

 

* Schieferton kommt in verschiedenen geologischen Formationen vor. Sobald der harte Stein Sonne, Wind und Regen ausgesetzt ist, wird er mürbe und zerfällt schieferartig in immer kleinere Bruchstücke. Böden, die so entstanden sind, werden „Galestro“genannt. Aber Achtung: Galestro ist keine geologische Formation, sondern eine Bodenart, die aus sehr unterschiedlichen geologischen Formationen entstehen kann.

 

 

Montefioralle

1.545 Hektar Gesamtfläche, davon 250 Hektar Rebfläche

In dieser kleinen UGA wachsen die Reben vorwiegend auf Mergelkalk-Böden (Alberese) in Höhen zwischen 250 und 450 Metern. Die Hügel sind teils sehr steil, weshalb viele Weinberge terrassiert sind.

Die Weine sind ausgeprägt fruchtig, lebendig und geschmeidig. In den unteren Höhenlagen geraten sie tanninreicher, strukturierter, weiter oben dagegen feiner und eleganter. Auch Olivenanbau besitzt in Montefioralle überdurchschnittliche Bedeutung.

Lamole

985 Hektar Gesamtfläche, davon 95 Hektar Rebfläche

In der kleinsten UGA befinden sich höchsten Weinberge der Appellation. Sie liegen mehrheitlich zwischen 500 und 625 Metern, reichen teilweise aber auch bis auf 700 Meter. Danach kommt nur noch Wald, der gut drei Viertel dieser UGA bedeckt. Charakteristisch sind die vielen terrassierten Weinberge, in denen die Reben oftmals in Alberello- oder Buschform erzogen werden. Lamole ist die einzige UGA, die von nur einer geologischen Formation geprägt ist (Macigno). Die teils sehr steinigen Sandböden enthalten keinen Kalkstein und bilden damit eine Ausnahme gegenüber allen anderen Bodenarten des Anbaugebiets.

Bedingt durch die hohe Lage und die leichten Böden, entstehen hier duftig-elegante Weine mit„Bergcharakter“. Sie sind feingliederiger als anderswo und meist auch hellfarbiger und besitzen häufig eine ausgeprägt florale Art. Obwohl die die analytischen Säurewerte teils niedriger als anderen Zonen sind, zeichnen sie sich durch besondere Eleganz und Frische aus.

 

 

Panzano

2.840 Hektar Gesamtfläche, davon 595 Hektar Rebfläche

Panzano liegt im Herzen des Chianti-Classico-Gebiets, umgeben von 6 anderen Teilbereichen. Die UGA verfügt über die größte Weinbergsdichte der Appellation, gut ein Fünftel der Gesamtfläche ist hier mit Reben bedeckt, fast komplett biologisch zertifiziert. Die meisten wachsen zwischen 300 und 475 Metern Höhe. Hauptsächlich kommen drei verschiedene geologische Formationen vor: Kalksandstein (Pietraforte), Schieferton und steiniger Mergel.

Die Weinberge im östlichen Teil der UGA ergeben fruchtigere und saftigere Weine, im Westen sind sie dagegen kräftiger und strukturierter mit oftmals leicht „erdigem“Charakter. Im Verhältnis zur Gesamtfläche nimmt auch der Olivenanbau einen bedeutenden Anteil ein. Knapp die Hälfte der UGA ist von Wald bedeckt.

 

Radda

8.050 Hektar Gesamtfläche, davon 750 Hektar Rebfläche 

Radda liegt südlich von Panzano, in der Mitte des Anbaugebiets. Die meisten Weinberge liegen zwischen 350 und 520 Metern. In den höheren Lagen sind die Böden sandig-steinig, ohne Kalkanteil, so wie in der UGA Lamole. Im mittleren und tieferen Hügelbereich stehen die Reben auf Kalksandstein (Pietraforte), Schieferton oder steinigem Mergel, vereinzelt auch auf Mergelkalk (Alberese). Zusammen mit Gaiole und Greve besitzt Radda die größten Waldflächen des Anbaugebiets.

Die Nähe der Monti del Chianti sorgt für kühles Klima, das die gesamte UGA Radda kennzeichnet. Die Weinlese beginnt hier deshalb später als in den meisten anderen UGAs. Die Weine sind besonders elegant und haben eine sehr lebendige Frucht.

 

 

Gaiole

12.900 Hektar Gesamtfläche, davon 1.320 Hektar Rebfläche

Die UGA Gaiole liegt im südöstlichen Teil des Anbaugebiets, sie ist der größte der elf Teilbereiche und besitzt die ausgedehntesten Waldgebiete. Sie entsprechen gut einem Fünftel des gesamten Waldes der Appellation. Bis auf wenige Ausnahmen wachsen die Reben auf Mergelkalk (Alberese) in Höhen zwischen 300 bis 500 Metern.

Die Weine fallen sehr unterschiedlich aus: im Westteil lebhaft, mit fleischiger Frucht und mittlerer Struktur, im wärmen Süden weniger ausdrucksstark in der Frucht, dafür mit einer Tanninstruktur von seltener Balance und Vollkommenheit. Im Norden entstehen einerseits sehr strukturbetonte, fast strenge Weine, aber auch sehr viel fruchtigere, vertikale und transparentere Weine ­– dann allerdings auf Sandböden ohne Kalk, wie in Lamole.

Castelnuovo Berardenga

5.370 Hektar Gesamtfläche, davon 750 Hektar Rebfläche

Castelnuovo Berardenga markiert den äußersten Südosten des Chianti-Classico-Gebiets. Das Gros der Weinberge liegt zwischen 275 bis 450 Metern. Während die Böden im Norden der UGA von nicht-kalkhaltigem Sandstein (Macigno) und Mergelkalk (Alberese) geprägt sind, finden sich weiter südlich große Gebiete mit urzeitlichen Sand- und Konglomerat-Böden sowie solche aus Ton und Schluff, die ebenfalls marinen Ursprungs sind. Mit seinen sanft geschwungenen Hügeln und dem Eindruck von Weite bildet das Gebiet den landschaftlichen Übergang zum ausgedehnten Hügelmeer der Crete Senesi und nach Montalcino.

Die Weine aus dieser UGA sind tendenziell wärmer, runder, mit dunklerer Frucht sowie ausgeprägtem und herberem Tannin.

 

 

Vagliagli

6.090 Hektar Gesamtfläche, davon 1.080 Hektar Rebfläche

Im äußersten Südwesten der Appellation liegt die UGA Vagliagli. Rund die Hälfte des Gebiets ist von Wald bedeckt, ein Zehntel mit Olivenbäumen. Die Weinberge liegen mehrheitlich zwischen 300 und 450 Metern. Im Norden des Bereichs, rund um das namensgebende Dorf Vagliagli, gibt es ähnliche Sandböden wie in Lamole, die Weinberge gehen hier bis auf 560 Meter. Im südlicheren Teil dominieren kalkhaltige Sand- und Konglomeratböden, wie in der benachbarten UGA Castelnuovo Berardenga.

Während die Weine aus dem nördlichen Teil von Vagliali frischer und fruchtiger sind, haben die Weine aus dem südlichen Teil stets eine dunklere Frucht und eine ausgeprägtere Tanninstruktur.

 

 

Castellina

9.980 Hektar Gesamtfläche, davon 1.680 Hektar Rebfläche

Der Bereich Castellina liegt im Westen der Appellation und gehört zu den drei größten UGAs. 19 Prozent der gesamten Rebfläche für Chianti Classico befinden sich hier, damit liegt Castellina knapp vor San Casciano. Die Weinberge liegen größtenteils auf 300 bis 500 Metern Höhe. Die Böden sind sehr heterogen. In den höheren Lagen bestehen sie vorwiegend aus steinigem Mergel, in den niedrigeren Weinbergen sind sie aus Ablagerungen vorzeitlicher Süßwasserseen entstanden, wobei sie im Nordwesten von Lilliano toniger und im restlichen Teil steiniger sind. Der ausgedehnte südliche Gürtel der UGA besteht ebenfalls aus Seeablagerungen. Allerdings sind sie feiner und stärker tonhaltig.

Auch die Weine sind demnach verschieden: Am Ostrand und in den höheren Lagen des Westrandes der UGA haben sie eine gewisse Salzigkeit, griffige Struktur sowie eine strahlende und brillantere Frucht. In den Gebieten, deren Böden aus Seeablagerungen entstanden sind, sind sie dagegen dunkelfruchtiger, wenn auch nicht ganz so dunkel wie in den südlichsten Gebieten der Appellation.

 

 

San Donato in Poggio

6.025 Hektar Gesamtfläche, davon 800 Hektar Rebfläche

Diese UGA liegt am westlichen Rand des Anbaugebiets zwischen den Bereichen Castellina und San Casciano.

Die meisten Weinberge liegen auf Höhen zwischen 250 und 425 Metern. Die prägende geologische Formation im Zentrum des Gebiets ist Mergelkalk (Alberese). Weiter südlich herrschen Kalksandstein (Pietraforte) und steinige Mergel vor, mit Ausnahme einiger Schieferton-Adern und eines großen Gebiets mit marinen Sanden in direkter Nähe des Orts Monsanto.

Aufgrund der Heterogenität des Gebiets und der Böden können auch die Weine sehr verschieden ausfallen: Im Norden bei Badia a Passignano sind sie tanninreich, strukturiert und weniger üppig in der Frucht und ähneln den Weinen der benachbarten UGA Panzano. Im Zentrum um das Dorf San Donato in Poggio, das der UGA seinen Namen gegeben hat, zeigen die Weine lebhaftere Frucht und weniger festes Tannin. Uneinheitlich geraten die Weine auch weiter südlich. Hier reicht die Bandbreite von duftig-elegant im Südwesten bis streng und dicht im äußersten Süden.