"Wir machen Naturwein, weil wir glauben, es ist der bessere und ehrlichere Wein!“, sagt Michael Völker, als wir im Januar 2016 seinen damals noch im Werden begriffenen Jahrgang 2015 verkosten. Seine Ehefrau Melanie Drese unterbricht und ergänzt: „Und weil er schmeckt!“
Eines ist mal sicher: Was hier in Mainfranken gekeltert wird, ist zuallererst das Produkt von Liebe und Leidenschaft – hier stimmt das Klischee wie nirgendwo sonst. Von Dogmatik oder ideologischer Verblendung – wie sie Produzenten von Naturweinen ja gern unterstellt wird – ist bei den 2 Naturkindern, so der Name des Familienprojekts, rein gar nichts zu merken.
Was hier gekeltert wird, ist zuallererst das Produkt von Liebe und Leidenschaft.
Inzwischen sind mit einer Ausnahme alle Weine des Jahrgangs 2015 gefüllt. Zu kaufen gibt es davon trotzdem so gut wie nichts mehr. Das Meiste war noch vor der Füllung reserviert Und das, obwohl der dritte Jahrgang der mit Abstand ertragreichste des noch jungen Naturwein-Projekts war. Aber eben auch: der qualitativ beste. Im Sommer 2013 hatten Melanie und Michael mit 600 Liter Rebensaft begonnen. 600 Liter? Das reicht nicht zum Leben. Im Jahr drauf sollten es immerhin schon 2000 Liter werden. Immer noch wenig. Doch es kam ohnehin anders: Essigfäule machte drei Viertel der Weine kaputt. Lernen auf die harte Tour. Dieses Jahr reiften rund 20.000 Liter in den Tanks und Fässern der elterlichen Weinkellerei, in der die 2 Naturkinder Unterschlupf gefunden haben, heran – ein enormer aber notwendiger Sprung.
Sie entschlossen sich gemeinsam gegen die geplante Karriere. Nix New York. Dafür Kitzingen.
Die Reben? Hier finden auch die einen Platz, die sonst ein Schattendasein führen: Silvaner, Müller-Thurgau, Schwarzriesling, Domina, Dornfelder, Regent, Bacchus und Spätburgunder umfasst das Portfolio. Allesamt in Bio-Qualität oder wenigstens doch aus Parzellen in Umstellung. Rund 4 Hektar eigene Flächen, dazu einige gepachtete Parzellen.
Neben den kompromisslos ungeschwefelten und unfiltrierten Weinen der 2 Naturkinder wurde in diesem Jahr erstmals eine zweite Linie mit dem Namen Vater und Sohn abgefüllt. Genau wie die Naturweine spontan vergoren und ausgebaut mit möglichst nur minimalen Eingriffen im Keller. „Kontrolliertes Nichts-Tun“, wie Völker und Drese das nennen. Der Unterschied: eine leichte Filtration und durchschnittlich rund 25 mg/l Schwefelgabe zum Abschluss.
Für den kompromisslosen Anspruch der beiden an die Machart ihrer Weine mögen das vielleicht 25 mg/l zu viel sein, für die stark am traditionellen Geschmacksbild orientierten Qualtitätsweinprüfer dagegen sind sie notwendig. Ebenso, wie hilfreich für viele Altkunden der Familienkellerei. Als Brücke über einen Graben. Vom traditionellen Frankenwein herüber in die neue Welt der „Natural Wines“.
Wie kam es überhaupt dazu? Warum gibt man seine guten Jobs auf ? Geht nicht nach New York? Michael Völker erzählt, dass ein Anruf kam. Von seinem Vater. Es ging um die Zukunft von Weinkellerei und -Handelshaus, beide von den Völkers in dieser Form immerhin seit 1843 betrieben. 4 Hektar eigene Weinberge, dazugekaufte Trauben von rund 10 weiteren Hektaren und ein nennenswerter Handel mit Importweinen obendrein.
Doch die Tage des alten Geschäftsmodells – sie waren merklich gezählt. Fallende Umsätze zwangen zu einer Entscheidung. Entweder jetzt verkaufen – oder aber eben zurückkommen und die Weichen stellen für weitere Generationen. Michael fragte Melanie, was er tun solle. Sie entschlossen sich gemeinsam gegen die geplante Karriere. Nix New York. Dafür Kitzingen, das zwar in den Wirtschaftswunderjahren ein wichtiges deutsches Weinhandelszentrum war, heute aber ein verschlafener Weinort ist.
Aus London in die fränkische Provinz mitgebracht hatten die 2 Naturkinder dabei das Konzept, mit dem sie die Zukunft des Familienunternehmens sichern wollten: „Natural Wines“, also weitgehend naturbelassene, minimal-invasiv produzierte Weine. Ihr auf diese Art und Weise hergestelltes Flaggschiff, einen teils maischevergorenen, intensiv stoffig-schmelzigen Silvaner, nannten sie „Heimat“. Ein Name – ein Programm.
Und auch die Ideen zu Vertrieb und Marketing der beiden sind geprägt von ihrer kosmopolitischen Vorgeschichte und alles andere als provinziell. „Der Markt ist überall weiter als hier“, erklärt Michael Völker. Deswegen ist die Website der 2 Naturkinder auch nur in englischer Sprache verfasst. Und deswegen wurden gleich nach der Gründung der Firma auch Accounts bei Twitter, Instagram, LinkedIn und Facebook eingerichtet – Start-up-Culture meets traditionelles Familienunternehmen.
Die meisten Flaschen werden in die USA, nach Australien, Großbritannien, Frankreich und Skandinavien ausgeliefert. Der physische Teil des Weinmachens, so erzählt Michael Völker, sei ihm sehr wichtig: „Ich bin der erste Bauer in der Familie seit ich-weiß-nicht-wann!“, sagt er. Die Generationen vor ihm fühlten sich mehr im Kontor als in Wingert und Keller zu Hause. Sein Vater wurde folgerichtig Betriebswirt und überließ die Kellerarbeit einem angestellten Kellermeister.
„Der Markt ist überall weiter als hier.“
Michael und Melanie arbeiten lieber im Weingarten und im Keller. Von dort entkommen ihnen so begeisternde Weine wie der Pétillant Naturel namens Fledermaus, der seinen Namen dem auf dem Wingert als Dünger ausgebrachten Guano der vom Aussterben bedrohten Fledermäuse verdankt. Er basiert auf Schwarzriesling-Trauben, vergoren mit der besonders die Frucht betonenden maceration carbonique, einer vor allem im Beaujolais praktizierten Methode, bei der die Maische besonders kühl und unter einer Schutzschicht von Kohlendioxid vergoren wird. In Kombination mit einem fast einjährigen Hefelager entsteht so ein Schaumwein, dessen Wechselspiel zwischen seiner opulenter Kirsch- und Beerenfrucht und knochentrockenem Wesen begeistert.
Wir wünschen uns von den 2 Naturkindern, dass ihr Bleiben Bestand hat. Ein weiterer Grundstein dafür ist jedenfalls gelegt: Im Juli 2016 hat der spätberufene Quereinsteiger Michael Völker seine Gesellenprüfung als Winzer bestanden. Die 11. Generation Völker im fränkischen Weinbau. Und mit dem 2013 geborenen Sohn Oskar wächst die möglicherweise 12. schon in Kitzingen.